Die Corona-Pandemie zwingt viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ins Homeoffice. Doch es gibt nach wie vor Geschäftsreisende, die Dienstreisen innerhalb Deutschlands oder auch ins Ausland antreten müssen. Können sie von ihrem Arbeitgeber dazu verpflichtet werden? Welche Vorkehrungen müssen dafür getroffen werden? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt Dr. Michael Fuhlrott, Arbeitsrechtler und Professor an der Hochschule Fresenius in Hamburg.
Darf ein Mitarbeiter eine Geschäftsreise in ein Land mit hohen Corona-Infektionsraten ablehnen?
Die Anweisung einer Dienstreise ist grundsätzlich vom Direktionsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) gedeckt. Im Einzelfall ist jeweils abzuwägen, wie hoch das Risiko für den Arbeitnehmer ist. Ist die Dienstreise besonders wichtig, weil der Arbeitnehmer zum Beispiel eine für das Unternehmen besonders wichtige Transaktion abschließen muss, kann auch die Anweisung zur Reise in eine „gefährdete Region“ zulässig sein. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer aber schützen, etwa in dem er Sicherheitsmaßnahmen trifft und den Arbeitnehmer mit Verhaltensrichtlinien oder Schutzausrüstung versieht.
Eine Fluggesellschaft hat bei einem Flug bereits einen Blut-Schnelltest für Passagiere vor dem Boarding durchgeführt. Darf der Arbeitnehmer diesen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit ablehnen, wenn dadurch die Reise ausfällt, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen?
Ein Blut-Schnelltest ist ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und – auch bei einem kleinen „Pieks“ – ein Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Der Arbeitnehmer darf eine solche Maßnahme verweigern. In einem solchen Fall muss er auch etwaige Stornokosten seinem Arbeitgeber nicht erstatten. Gesundheitsmaßnahmen geringeren Umfangs, wie eine medizinische Befragung oder ein kontaktloses Fiebermessen wird der Arbeitnehmer hingegen hinzunehmen haben.
Darf ein Arbeitgeber, wenn es einen Impfstoff gegen COVID-19 gibt, Mitarbeiter zwingen, sich in Deutschland einer Impfung zu unterziehen?
Nein. Solange keine gesetzliche Impflicht besteht, kann ein Arbeitgeber dies nicht von seinen Arbeitnehmern verlangen. Der Arbeitgeber darf natürlich mit dem Betriebsarzt gesundheitliche Aufklärung betreiben und hierzu aufrufen. Ein Arbeitnehmer, der sich weigert, muss aber keine Konsequenzen befürchten. Selbst wenn der Arbeitnehmer später an Sars-CoV-2 erkrankt, muss der Arbeitgeber grundsätzlich Entgeltfortzahlung leisten. Dies gilt auch, wenn dem Mitarbeiter bei der Ankunft am Reiseziel nur mit einer vor Ort durchzuführenden Corona-Schutzimpfung die Einreise durch die lokalen Behörden erlaubt wird und er bei Weigerung unverrichteter Dinge zurückreisen muss.
Muss der Arbeitgeber bei Auslandsreisen deutscher Mitarbeiter sicherstellen, dass am Reiseziel die Vorgaben nach dem neuen Arbeitsschutzstandard COVID-19 des Bundesarbeitsministeriums erfüllt werden?
Der Versicherungsschutz der Berufsgenossenschaften bei Arbeitsunfällen erstreckt sich zwar auch auf Dienstreisen ins Ausland. Der deutsche Arbeitsschutzstandard aber gilt für Betriebe in Deutschland, bei denen der Arbeitgeber auch die Möglichkeit hat, auf die Einhaltung der Vorschriften hinzuwirken. Im Ausland können die Vorschriften daher keine Geltung beanspruchen.
Wenn am Reiseziel eine Maskenpflicht besteht, muss der Arbeitgeber dem Mitarbeiter diese zur Verfügung stellen?
Ja, wenn die Reise dienstlich veranlasst ist, muss der Arbeitgeber diese dem Arbeitnehmer zur Verfügung stellen.
Hat der Mitarbeiter auch Anspruch darauf, für die Reise ein Handdesinfektionsgel vom Arbeitgeber zu erhalten?
Der Arbeitgeber muss aufgrund seiner Fürsorgepflicht geeignete Schutzmaßnahmen treffen. Hierunter wird – sofern dies etwa vom Betriebsarzt empfohlen wird – auch das Stellen von Desinfektionsgel für die Reise fallen. Ansonsten kann aber auch übliche Hygiene wie etwa regelmäßiges Händewaschen genügen.
Quelle: Hochschule Fresenius
(Ende) finanzwertig/30.04.2020/mar